Die Smartphone Sucht betrifft uns “fast” alle. Nervtötende Pushnachrichten ploppen nach und nach auf oder das neue Candy-Crush Level hat einen so in den Bann gezogen, dass alles andere zur Nebensache wird.
Es ist 17:38 Uhr an einem Freitag. Ich komme gerade von der Genius Bar bei Apple und warte am Bahnsteig ‘Jungfernstieg’ auf die S-Bahn. Verträumt blättere ich, abseits des Gleis, in einer Zeitschrift vom Kiosk, kaufe sie aber nicht. Die Bahn fährt ein – Jede Menge Menschen strömen aus den Wagons heraus, andere wieder hinein: Rush Hour.
Nachdem ich den drei amüsierten Mädels durch den Wagon folge, finde ich noch einen Platz. Es ist mit Sicherheit der letzte Sitzplatz. Der Hintergrund meines Besuchs bei Apple ist ganz einfach: Ich habe Probleme mit dem technischen Gerät. Es wurde ein Reset durchgeführt und nun soll es wieder funktionieren. Das Backup kann ich allerdings erst zu Hause wieder aufspielen. In diesem Moment, auf dem schmuddeligen Sitz der S-Bahn, wird mir bewusst, wie sehr uns (mich damit eingeschlossen) die digitale Welt unter Kontrolle hat.
Die Smartphone Sucht wird immer schlimmer
Wir lesen es ständig in den Nachrichten. Es ist also nichts Neues, wenn ich dir sage, dass wir alle immens häufig am Handy hängen. Aber ich habe mich in diesem Moment irgendwie frei gefühlt. Mich selbst dabei zu ertappen, dass ich die automatische Bewegung in die rechte Innentasche der Jacke mache, um das Mobiltelefon herauszuholen. Ob ich eine WhatsApp-Nachricht bekommen habe, ein neues Match auf Tinder, mir jemand eine Facebook Anfrage gesendet hat oder die Prüfungsergebnisse der Uni per Mail eingetrudelt sind – irgendwas ist ja immer – traurig.
Jetzt gerade habe ich keine Möglichkeit mich um all das zu kümmern. Im Endeffekt lasse ich also einfach mal die Gegenwart auf mich wirken und beobachte die Leute.
Ob alt, ob jung wir sind alle online!
Mir gegenüber ein süßes, verliebtes Pärchen. Nein es sind keine Teenies, sondern Rentner. Er bietet ihr einen Bonbon an, sie lehnt dankend ab. Wie süß, die beiden schnacken ja noch miteinander denke ich, wo beide im selben Augenblick ihr Buch zücken und sich den Rest der Bahnfahrt vertieft über ihre Romane stürzen. Neben mir ein junger Kerl, mein Alter, hört Musik auf Spotify. Um zu wissen, dass er Hip Hop & RnB bevorzugt, brauche ich nicht auf sein Display zu schauen, die Beats beschallen die ganze Sitzreihe. Sein Kumpel sitzt ihm wie taubstumm gegenüber. Der Typ im Anzug, in der Reihe neben mir, starrt gespannt auf sein Handy, um die aktuellen Aktienkurse zu beobachten. Neben ihm eine etwas ältere Dame, die in ihrem Magazin blättert. E-Books, Laptops und noch viele weitere mobile Geräte, aber kein Ton.
Die digitale Sucht lässt unsere Kommunikation verstummen
Wir haben aufgehört miteinander zu kommunizieren, jeder hängt vertieft über seinem Gerät. Den einen oder anderen habe ich vielleicht bei einer wichtigen Sache am Smartphone erwischt, doch viele nehmen es aus Gewohnheit zur Hand. Zurück zu dem Kerl mit den Beatz – Immer wieder der gleiche Ablauf: Zum Entsperren den Daumen auf den Home-Button drücken. Zuerst WhatsApp-Gespräche beantworten, dann noch offene Snaps anschauen, gefolgt vom Stalken neuer Instagram Follower. Zu guter letzt schauen, was es auf Facebook Neues gibt, obwohl er genau weiß, dass sich seit 17:40 nicht viel getan haben wird. Bildschirm wieder sperren, um ihn dann in 12 Sekunden, zum Auswählen einer neuen Playlist, wieder zu entsperren. Wer kennt das nicht?
Doch das Erschreckendste Beispiel kommt noch: Eine Mutter zeigt ihrer vielleicht gerade mal 9 Monate alten Tochter Fotos auf ihrem Smartphone. (Sicherlich zählt der ständige Zugriff auf Urlaubsbilder zu den Vorteilen der Digitalisierung) Nichts desto trotz bekommt dieses Kind keine Zuwendung und Aufmerksamkeit. Was passiert mit der Entwicklung eines Kindes, Ich hab früher an der Nordseeküste Burgen gebaut – Dieses Kind wird unter einem Handtuch liegen, welches genügend Schatten für das Tablet spendet.
Smombie – Die Smartphone Zombies
Kennst du das Wort Smombie noch? Smombie ist das Jugendwort des Jahres 2015 und setzt sich zusammen aus Zombie und Smartphone. Der Begriff beschreibt eigentlich die Menschen, die ihre Augen, nur nach unten geneigt, auf ihrem Smartphone-Display haben und ihre Umwelt nicht mehr wahrnehmen. Ähnlich wie in der Serie „The Walking Dead“, nur dass wir nicht dieselben Laute von uns geben .😀
Es gibt noch unzählige weitere Alltagssituationen, in denen die Smartphone Sucht zur Gefahr für uns wird. Wer hat noch nie eine Sprachnotiz während der Autofahrt verschickt. Das Handy lenkt aber nicht nur ab, sondern richtet gerade im Bereich des Nackens auch körperlichen Schäden an. Die dauerhafte Last des Kopfes ist unser Nacken nicht gewohnt. Jetzt magst Du davon vielleicht noch nichts merken, aber besser wird es bestimmt nicht. 😉
Gibt es Präventivmaßnahmen – was kann ich tun?
Natürlich, denn keiner zwingt Dich dieses Gerät zu benutzen. Ganz gewiss klingt das erstmal naiv und einfach nur bescheuert, weil wir es uns schlichtweg nicht mehr wegdenken können. Und es stimmt ja auch, dass es äußerst praktisch ist: Eine Terminfindung, kurze Vereinbarungen oder Treffen, ja bis hin zum bequemen Bezahlen, wirft das Mobiltelefon ein rundum positives Licht auf sich selbst.
Ich will Dir sagen, was ich mir abgewöhnt habe, um der Smartphone Sucht entgegen zu wirken. Der Flugmodus des Handys ist über Nacht mein größter Freund. Es gibt keine WhatsApp Nachrichten, keine Anrufe von betrunkenen Freunden um kurz nach drei und keine Handystrahlen – seit sieben Jahren. Da mein Handy als Wecker fungiert, muss es trotzdem im Schlafzimmer liegen. Ansonsten könnte ich natürlich auch komplett auf die Nutzung meines mobilen Endgeräts im Schlafzimmer verzichten. Tagsüber sind sämtliche Pushnachrichten ausgestellt, was die Nutzung drastisch reduziert hat. Wer mich erreichen will, kann anrufen.
Nein ich bin dadurch jetzt kein besserer Mensch, aber mir geht es gut damit und ich finde es interessant mich über das Thema auszutauschen. Was tust Du gegen die Smartphone Sucht? Oder juckt es Dich nicht die Bohne und Du sagst es ist sowieso zu spät?
Guter Artikel. Ich denke viele Leute nervt die Handysucht! Ich bin bei FB zwar noch angemeldet, bin auf der App aber überwiegend ausgeloggt,damit ich nicht alle 5 min schaue ob ein neues Video auftaucht.
Danke dir HamburgerHänger. Auf jeden Fall Facebook ist ein weiterer Zeitfresser. Habe die App schon gar nicht mehr drauf!
Mir gefällt der Artikel auch, er offenbart die Schwächen der uneingeschränkten Erreichbarkeit. Zwar profitieren die Personen, in deren Gegenwart ich mich nicht befinde, allerdings müssen die Leute in meiner Gesellschaft darunter leiden. Denn letztendlich ist man oft “anwesender”, wenn man körperlich abwesend ist…
Danke dir für Dein Feedback – Du triffst den Nagel damit auf den Kopf!
Hi Fabian!
Toller Beitrag! Super finde ich auch immer das Bild von einer Gruppe Menschen, die sich z. B. in einer Bar extra trifft und dann sitzen sie alle wortlos nebeneinander und starren auf ihre Displays …
Auch gut: über Dating-Apps hoffen, jemanden in der Umgebung zu finden und deshalb immer nach unten zu starren, statt denjenigen live zu entdecken, indem man sich selbst umsieht.
Gruß, Claire
Hey Claire!
Vielen Dank für das Feedback und deine Meinung. Ja es ist oft traurig aber wahr & diesem Phänomen kann man sich nur schwer entgegenstellen.
Geht schon. Hängt vom Willen ab. Wenn ich mich mit jemandem treffe, bleibt das Smartphone in der Tasche – außer man will sich gerade was zeigen. Auf meinen Reisen habe ich oft nur die Kamera griffbereit und auch sonst genehmige ich mir regelmäßig ein paar Tage am Stück im Flugmodus. 🙂 Sehr entspannend.
Gruß nach HH!
Gesunde Einstellung meine Liebe, wäre schön, wenn wieder mehr von uns so darüber denken würden! Grüße in den Süden 🙂